Wespen – nicht auf dem Holzweg

Auf dem Holzweg sein – das bezeichnet, vereinfacht ausgedrückt, einen Irrtum. Diese Wespe und ihre Artgenossen sind derzeit häufig dabei zu beobachten, wie sie vermeintlich Holz knabbern. Nur diese Annahme ist ein Irrtum, denn die Insekten ernähren sich nicht davon, sondern lösen mit ihrem Speichel Zellulose daraus, um ihre Nester für den Nachwuchs zu bauen. Das ist ganz schön schlau. So vereinzelt, wie dies geschieht, richten sie zumindest an der Holzbank in meinem Garten keinen Schaden an. Außerdem sind sie so in ihre Arbeit vertieft, dass sie uns Menschen nicht belästigen. Also lasse ich sie gerne gewähren.

Seid ihr auch großzügig und bleibt gesund!

 

Wie russische Politik das Maifeld beeinflusst

Nie ist das Maifeld schöner als im Mai, wenn der Raps blüht. Zum Beispiel jetzt. Im vergangenen Jahr hätte ich angesichts der leuchtend gelben Felder und des blauen Himmels vor Freude geseufzt.

Heute, im Mai 2022 seufze ich auch, aber erst mal vor Sorge. Gelb und Blau – Ukraine – Krieg. Das nennt man selektive Wahrnehmung. Ich zitiere aus Wikipedia: „Um selektive Wahrnehmung handelt es sich in der Psychologie, wenn die Wahrnehmung durch begrenzte, unterschiedliche oder einseitige Aufmerksamkeit im Hinblick auf die angebotenen Informationen oder Reize eingeschränkt ist.“

Morgen werde ich wieder ins Maifeld fahren und versuchen, mich an den Farben zu berauschen, aber der Angst keine Chance zu geben.

Genießt die blühende Natur und bleibt gesund!

 

Blackbird has spoken

Diese Zeile eines Songs von Cat Stevens aus dem Jahr 1971 kam mir in den Sinn, als mich gestern eine Amsel auf der Terrasse besuchte. Sie fühlte sich zwischen Jakob und Adele aus Kunststoff ganz offensichtlich wohl und geborgen.

1971 – meine Freundinnen in Studentenzeiten und ich hörten so oft es eben ging (nur eine von uns hatte einen Kassettenrecorder) die Lieder von Leonard Cohen, André Heller und Cat Stevens, der unser Favorit war. Und sein bester Song aus unserer Sicht war „Morning has broken“, aus dem die oben zitierte Textzeile stammt.

Zig Jahre später in der Villa Rosa fütterten Amseln ihre Jungen in unserem Esszimmer und zwitscherten in den frühen Morgenstunden kaum zwei Meter von meinem Kopfkissen entfernt durch das geöffnete Schlafzimmerfenster, was die Kehle nur hergab. Ich war wegen der Ruhestörung nicht wirklich begeistert. Heute höre ich sie aus etwa zehnfacher Entfernung, freue mich und bin glücklich, dass sie im Garten des Hotels nebenan einen guten Platz haben, um mit ihrem Gesang das Revier zu markieren.

Vom 13. bis 15. Mai ist wieder die bundesweite „Stunde der Gartenvögel“. Jede(r) kann daran teilnehmen – in diesem Jahr zum 18. Mal. Unter www.nabu.de findet ihr die Details. Ich bin gespannt, ob ich in dieser Zeit wieder Gäste in der 4. Etage begrüßen und dem nabu melden kann. Es würde mich freuen.

Freut euch am Gesang der Vögel und bleibt gesund!

Als die Räder eine Erlaubnis benötigten

„Nine Million Bicycles“ sang Katie Melua 2005. Fast zehn Mal so viele sind es derzeit in Deutschland. Etwa 80 Millionen Fahrräder sind aktuell hier unterwegs, fast eins pro Einwohner. Die Pandemie hat die Nachfrage nach den Zweirädern enorm gesteigert, der Handel kann der großen Nachfrage kaum nachkommen.

Nach dem 2. Weltkrieg sah das anders aus. Fahrräder waren so rar, dass es nicht selbstverständlich war, damit unterwegs zu sein. Mein Vater hatte das Glück, wie das aus unserer Sicht kuriose Dokument veranschaulicht. Am 16. Januar erhielt er die Berechtigung dazu. Aus seinen Erzählungen weiß ich, wie stolz er darauf war. Er hinterließ mir einige solcher Dokumente, die ich ab und zu an dieser Stelle vorstellen möchte. Ich will sie dem Stadtarchiv überlassen und hoffe, sie werden, anders als seine Gemälde, angenommen.

Das auf der Fahrrad-Erlaubniskarte beschriebene Gefährt stammt aus dem Kölner Unternehmen Goldberg. Es produzierte von 1892 bis 1998 Fahrräder, wie ich dank Wikipedia weiß. Die Firmengeschichte weist unglaubliche Aspekte auf. So hatten die Firmeninhaber wegen des vermeintlich jüdisch klingenden Namens Goldberg in der Zeit des Nationalsozialismus große Probleme. Die Familie konnte allerdings ihre christlichen Wurzeln bis zurück ins Jahr 1640 nachweisen.

Heute sind es andere Probleme. Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben weitreichende Folgen auch für Hersteller und Handel.

Ich wünsche euch gute Fahrt auf dem Rad und bleibt gesund!

Madame Butterfly residiert in Blau

Was lange währte, ist nun gut geworden. Vor elf Jahren kaufte ich in einem schwedischen Möbelhaus große Mengen Dupionseide ein. In Rot, Orange und Weiß für das Projekt „Rosenschneiderei“ der Gleichstellungsstelle während der BUGA, in Ultramarinblau für den eigenen Bedarf. Ein Meter des feinen Materials kostete 50 Cent – kein Wunder, dass ich reichlich kaufte.

Gestern habe ich 4 Meter davon, also im Wert von 2 (zwei) Euro, zu einem japanischen Kimono verarbeitet. Sehr schlicht im Vergleich zum traditionellen japanischen Gewand, das meist aus mehr als einem Dutzend Teilen besteht. Es gibt heute noch in Japan professionelle Kimono-Anlegegehilfen, ein aus europäischer Sicht ungewöhnlicher Beruf. Das Anlegen des traditionellen Kimonos ist allerdings eine Kunst, für die es mehr als nur zwei geschickte Hände braucht.

Selbstverständlich habe ich solchen Aufwand nicht vor, mir reicht das schlichte Obergewand mit der Schärpe (Obi). Auch knote ich diese nicht auf dem Rücken, sondern vorne. So viel kreative Freiheit muss sein. Insgesamt, so finde ich, sieht das Gewand in leuchtendem Ultramarin geradezu königlich aus. Die Infos zum Kimono (das Wort bedeutet übrigens in Deutsch einfach nur „Anziehsache“) habe ich wie immer Wikipedia zu verdanken.

Ich wünsche euch Sonne, blauen Himmel und bleibt gesund!

 

 

 

Richard Löwenherz, ich und zwei Versprechen

Als Richard Löwenherz 1191 vor Dubrovnik während eines Sturms einem Schiffbruch entging und auf der kleinen Insel Lokrum Zuflucht fand, gelobte er eine Kapelle zu stiften. Daraus wurde nichts, aber immerhin unterstützte er den Bau der Kathedrale in Dubrovnik.

Als ich knapp 800 Jahre später, genauer gesagt 1985, während meiner Ferien in Dubrovnik auf der kleinen Adriainsel Zuflucht suchte, war es Liebeskummer. Mit meinen Tränen habe ich gewiss temporär den Salzgehalt der Adria erhöht. Nicht ahnend, dass ich meine wirklich große Liebe und heutigen Ehemann bereits getroffen hatte. Auch ich gab damals auf Lokrum ein Versprechen, aber ganz anders als Richard Löwenherz.

Während des Urlaubs fand sich ein europäisches Quintett: Bozo aus Dubrovnik (Kroatien), Mila aus Belgrad (Serbien), Moira aus London (England), ein Römer (Italien), dessen Namen ich vergessen habe und ich aus Koblenz (Deutschland). Wir verbrachten viel Zeit miteinander, kauften gemeinsam auf dem Markt ein und kochten und aßen bei Bozo, der in der Altstadt über ein Haus mit gut ausgestatteter Küche und einer funktionierenden Klimaanlage verfügte. Aber vor allem redeten wir miteinander und hätten gerne die Welt verbessert. Wir nannten uns Lokrum Club International und versprachen uns, niemals aufeinander zu schießen. Ich bin sicher, dass sich alle daran gehalten haben, auch wenn mit der Zeit der Kontakt abbrach. Wir fanden, dass Toleranz und Frieden für die Menschheit der einzig erstrebenswerte Weg ist und wünschten uns einen weltumspannenden Lokrum Club International. Angesichts der Spannungen auf dem Balkan ahnten wir, dass unsere Bemühungen letztendlich vergebens waren. Aber was wäre, wenn Menschen aufhören zu hoffen…

Hoffen wir also, dass die Welt doch noch ein friedlicher Ort wird und bleibt gesund!

Drei Premieren und ein Todesfall

Die erste Einzelausstellung vor zehn Jahren, die erste Besucherin der Vernissage, der erste rote Punkt an einem Gemälde. Diese drei Premieren gehören untrennbar zusammen.

Im Winninger Rathaus hatte ich 2012 zur Ausstellung „Kabinettstücke“ eingeladen. Es war sozusagen mein Coming Out als Malerin (siehe auch Menüpunkt „Ausstellungen“ auf dieser Homepage).

Obwohl ich mehr als eine Stunde vor Ausstellungseröffnung am Rathaus war – eine Besucherin wartete schon vor der Tür. Ich kannte sie flüchtig und mochte sie sehr.

Kaum fünf Minuten später hatte sie ein kleines Stillleben gewählt, bat mich eindrücklich um Reservierung. Und so klebte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen roten Punkt als Zeichen der Reservierung an ein Gemälde. Das verdanke ich auch einem Freund, der sich einen Tag zuvor erkundigt hatte, ob ich für die roten Punkte gesorgt hätte. In der Annahme, dass niemand Kaufinteresse an einem meiner Gemälde und Zeichnungen haben würde, lachte ich ihn aus, dass ich solche nicht benötige. Aber ich tat ihm den Gefallen und klebte während der nächsten Tage sogar weitere neun rote Punkte. Ich hatte sie mit einem Stück Doppelklebeband, rotem Papier und Locher schnell hergestellt.

Vor ein paar Tagen rief mich die Tochter der ersten Besucherin an und bot mir an, das Bild an mich als Geschenk zurückzugeben. Die Mutter sei vor einem Jahr verstorben, und sie fände es schön, wenn es wieder zu mir als Schöpferin zurückkehren würde. Es gefiel ihr gut, aber sie habe keinen Platz mehr für zusätzliche Bilder. Diese Geste hat mich sehr berührt und ist, bis auf den traurigen Anlass, eine Freude. Nun ist es wieder bei mir, steht für den Gatten gut sichtbar auf dem Esstisch und ist sein neuestes Lieblingsbild. Den damaligen Kaufpreis habe ich selbstverständlich nicht behalten, sondern an „Ärzte ohne Grenzen“ gespendet.

Die Käuferin, von deren Tod ich nichts wusste, wird mir auch ohne die Rückkehr des Bildes in guter Erinnerung bleiben. Sie war sehr besonders – lebhaft und natürlich, warmherzig und großzügig und eine Frau, die man niemals als alt bezeichnet hätte, obwohl sie mehr als 80 Jahre gelebt hat.

Ich wünsche euch auch eine unerwartete Freude und bleibt gesund!

 

 

 

Zitate zur Zeit

Ich bewundere Menschen, die meine Meinung mit ihren Worten ausdrücken können, obwohl sie mich nicht kennen und die meist schon seit Jahrhunderten nicht mehr leben. Und ich bedaure jedes Mal, dass ich nicht selbst in der Lage bin, so etwas Kluges zu sagen und zu schreiben.

„Gefährlich ist’s den Leu zu wecken, Verderblich ist des Tigers Zahn, Jedoch der schrecklichste der Schrecken, Das ist der Mensch in seinem Wahn.“ Das reimte Schiller (1759-1805) vor mehr als 200 Jahren. Leider stammt nur das Portrait des Löwen von mir.

„Wir haben gelernt, wie die Vögel zu fliegen, wie die Fische zu schwimmen, doch wir haben die einfache Kunst verlernt, wie Brüder zu leben.“ Martin Luther King (1929-68)

„Die einzige Hoffnung für die Erde besteht darin, dass es der Menschheit gelingt, mehr Probleme zu lösen als auszulösen.“ Henriette Wilhelmine Hanke (1785-1862)

Stolz und Vorurteil

Nach dem freundlichen „Guten Tag“ folgte die Bitte, die Behälter mit Grünschnitt sehen zu dürfen. Rasenschnitt wird zum Kompostieren anders behandelt als Baumstämme. Logisch. Mit eindeutigen Armbewegungen wies der Mitarbeiter des Recyclinghofs auf die entsprechenden Bereiche und wünschte noch einen schönen Tag. Seine Muttersprache war eindeutig russisch. Beim nächsten Besuch schien er das Auto oder mich zu erkennen, beschränkte sich auf einen Gruß und die Frage, was ich denn abzugeben hätte. Beim dritten Besuch grüßte er nur noch und half mir, die schweren Behälter aus dem Auto zu hieven, obwohl er das nicht durfte. Wir plauderten, fragten einander nach dem Befinden der Familie usw. Beim vierten Besuch winkte er zur Begrüßung, dass man hätte Sorge haben müssen, er kugelt sich die Gelenke aus. Wieder höfliche Konversation, und ich fragte nach seinem Namen.

Ich hielt es für ein Zeichen des Respekts.

Den erfährt er als Müllmann gewiss nicht häufig. Die Reaktion: Erst betretenes Schweigen, den Blick beschämt zu Boden gerichtet, die Stimme ein Knurren: „Ich heiße Wladimir. Ich schäme mich sehr, dass ich wie der … heiße.“ Die von ihm gewählte Bezeichnung kann ich an dieser Stelle nicht wiedergeben. In der Folge habe ich ihn nie mit diesem ihm verhassten Namen angesprochen.

Ich hielt es für ein Zeichen des Respekts.

Übrigens, diese Begegnung fand nicht in den vergangenen Tagen, sondern im Sommer 2015 statt.

Bitte bleibt gesund und versteht die Botschaft: Nicht alle Äpfel am Baum sind wurmstichig!

 

Ein ganzes halbes Jahr

Es ist tatsächlich ein ganzes halbes Jahr her, dass ich zuletzt im Blog einen Beitrag veröffentlicht habe. Wegen der Pandemie habe ich kaum das Haus verlassen und nichts erlebt, was einen Bericht gerechtfertigt hätte. Ab heute werde ich versuchen, jeden Donnerstag einen Beitrag zu veröffentlichen.

Das Foto deutet an, was heute Thema ist. Die Farben der Ukraine sind in diesen Tagen nahezu allgegenwärtig, und sie leuchten auch auf dem Foto. Was nicht von mir stammt, sondern aus dem Internet. Zum ersten und einzigen Mal habe ich ein Foto dem Internet entnommen. Es heißt, der Zweck heilige die Mittel. Sollte sich ein(e) UrheberIn melden, werde ich das erklären und sie oder ihn entschädigen.

Als 1998 in Winningen wieder einmal ein Trachtentreffen mit Tanz- und Trachtengruppen aus dem In- und Ausland stattfand, bot ich dem Veranstalter an, zwei Personen in der Villa Rosa aufzunehmen. So wurden wir für einige Tage Gastgeber und Familie auf Zeit für zwei junge Ukraniner aus Kiew. Die beiden Jungs im Alter irgendwo zwischen Teenager und Mann waren freundlich und offen, bescheiden und dankbar, interessiert an allem Neuen und mit Begeisterung auf der Bühne.

Vor dem ersten von zahlreichen Auftritten fragten sie, ob ein Bügeleisen vorhanden sei, um ihre Kostüme in Ordnung zu bringen. Das wollte ich sogleich erledigen, aber ich hatte keine Chance. Sie taten es selbst, und ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Sie bügelten den Stoff nicht glatt, sondern streichelten ihn geradezu glatt. Noch nie habe ich selbst mit einer solchen Sorgfalt diese ungeliebte Tätigkeit erledigt. Da hat eine Mama in der Ukraine tolle Erziehungsarbeit geleistet.

Die Darbietungen der Gruppe waren großartig, die fundierte Ballett- und Turnausbildung mehr als offensichtlich. Das Foto zeigt die Gruppe während des Festzugs. Mit genug Proviant für die lange Busreise zurück nach Kiew, modischen Jeansjacken für die Jungs und reichlich Gummibärchen für die von ihnen vergötterte kleine Schwester brachte ich sie zum Bus. Nach fast einem Vierteljahrhundert weiß ich ihre Namen nicht mehr, aber ich habe sie nie vergessen. Sie sprachen kein Deutsch, so gut wie kein Englisch, so wie ich weder Ukrainisch und Russisch spreche. Aber wir haben uns verstanden.

Bleibt gesund und zuversichtlich, dass in der Ukraine wieder getanzt werden wird. Irgendwann. Möglichst bald!